Sklaverei

»Der Priester Las Casas hat als erster dazu geraten, dass man Afrikaner nach Westindien einführe. Er wusste nicht, was er tat. Als er vernahm, dass die Portugiesen wider alle Rechtlichkeit in Afrika Menschen fingen und sie zu Sklaven machten, bereute er bitter seine Worte... Das Recht der Schwarzen ist dem Recht der Indianer gleich.«. Der Sklavenhandel wurde zunächst größtenteils von den Niederlanden abgewickelt. Ab 1666 machten aber die Dänen nach Erwerb der Virgin Islands den Niederlanden Konkurrenz. Zwischen Europa, Afrika und Westindien begann sich ein lukrativer Dreieckshandel zu entwickeln, der bis weit ins 19. Jahrhundert hinein dauerte. Aus Europa gelangten vor allem Fertigwaren wie Waffen, Textilien, Schmuck und Schnaps nach Afrika, gegen die man bei den Stammeshäuptlingen Sklaven eintauschte. Einem Viehhandel vergleichbar wickelte sich der Erwerb der Sklaven in Westafrika ab. Einer der größten Sklavenmärkte befand sich auf der kleinen Goré-Insel, die Dakar, der heutigen Hauptstadt von Senegal, vorgelagert ist. Oft steckten die europäischen Sklavenjäger mit den Stammeshäuptlingen unter einer Decke, anders wäre die fast unvorstellbare Zahl von ca. 15 Millionen im Verlauf von drei Jahrhunderten allein nach Westindien deportierter Negersklaven kaum vorstellbar.

Bevor die Sklaven an Bord der Schiffe kamen, wurden sie auf ihren Gesundheitszustand untersucht und erhielten ein Brandmal. Anschließend wurden sie je nach Schiffsgröße zu 300 bis 600, egal ob Männer, Frauen, werdende Mütter oder Kinder, zusammengepfercht. Die qualvolle Enge wuchs noch, wenn aus Gründen der Raumersparnis die Decks halbiert wurden. Ganz bewusst war eine Sterblichkeitsquote von 10-25% bei der Raumausnutzung einkalkuliert worden, denn die Profitgier ging vor Menschlichkeit! Auf der Transatlantikroute begann die größte Leidenszeit der Negersklaven. Der Passat trieb zwar die Schiffe in der Regel auf die Westindischen Inseln zu, oft genug geschah es aber, dass man in die windstillen Kalmenzonen geriet und wochenlang bei unerträglicher Hitze, Nahrungs- und Wassermangel auf ein Weiterkommen warten musste. Dann stieg die Sterblichkeit in den überhitzten und stickigen Decksräumen auf mehr als 50 %.


Einige Tage vor Ankunft auf den westindischen Sklavenmärkten bemühte man sich, die verelendete Menschenfracht für den bevorstehenden Verkauf aufzupäppeln. Bevor die Sklaven an Land gebracht werden durften, mußten sie vom Hafenarzt auf eventuelle ansteckende Krankheiten untersucht werden. Abschließend wurden sie für die Auktion freigegeben. Besonders groß war der Bedarf an Arbeitskräften auf den englischen und französischen Pflanzerinseln, dazu gehörten Jamaica, das heutige Haiti und die meisten der Kleinen Antilleninseln. Nachdem die Menschenfracht von Bord war, wurden die Schiffe überholt, mit Proviant und Kolonialwaren beladen, um die letzte Etappe der Dreiecksroute, die Rückfahrt nach Europa anzutreten. Man schlug dafür einen nordöstlichen Kurs ein, um mit Hilfe des Golfstroms und der Westwinde möglichst kräftesparend heimwärts zu segeln. Den größten Teil des Frachtraumes nahmen Rohrzucker und Baumwolle ein, außerdem lud man begehrte Kolonialwaren wie Rum, Indigo, Gewürze und Tabak an Bord. Oft ergänzten von spanischen Schiffen gekaperte Gold- und Silberschätze die Fracht der Fregatten. Weitgehend unbekannt ist die Tatsache, daß der Sklavenhandel auch vom damals dänischen Schleswig-Holstein gefördert wurde. Flensburg - noch heute als Rumstadt unseres Landes bekannt - hatte damals rege Handelsbeziehungen nach Westindien, besonders zu den seinerzeit dänischen Virgin Islands St. Croix, St. Thomas und St. John. Um Seeleute für Fahrten auf Sklavenschiffen anzuheuern, wurden sogar von den Kirchenkanzeln Aufrufe erlassen, wie noch heute in Kirchenarchiven auf einigen der Nordfriesischen Inseln nachzulesen ist. Auch die Inschriften einiger Kapitänsgräber auf den Friedhöfen in Niblum (Insel Föhr) und Nebel (Insel Amrum) geben immer noch interessanten Aufschluß über die damalige Sklavenfahrt. Am Sklavenhandel beteiligte sich auch der überaus erfolgreiche Kaufmann und spätere dänische Finanzminister Freiherr Heinrich Carl Schimmelmann (1724-1782). Noch heute erinnern seine prächtigen Schlösser und Herrensitze in Ahrensburg, Kopenhagen und Lindenborg im nördlichen Dänemark an den dabei erworbenen Reichtum. Zeitweise gehörten ihm mehr als ein Dutzend Fregatten, die auf Sklavenfahrt waren und seine westindischen Besitzungen mit billigen Arbeitskräften versorgten. Die Zahl der Negersklayen, die auf den Schimmelmannschen Zuckerrohrplantagen arbeiteten, belief sich auf über 1000. Der älteste Sohn Ernst trat in die Fußstapfen seines Vaters und wurde dessen Nachfolger im dänischen Finanzministerium. Man ernannte ihn außerdem zum Direktor der Ostseeisch-Guineischen Handelsgesellschaft, die am Sklavenhandel beteiligt war.


Im Gegensatz zu seinem Vater berührte ihn aber das Los der Negersklaven, und er setzte sich für die Abschaffung der Sklaverei ein. Seine Initiativen trugen maßgeblich dazu bei, daß Dänemark als erstes Land 1792 ein Verbot des Sklavenhandels anordnete. Interessanten Aufschluß darüber, welche Vorurteile über Negersklaven an deutschen Schulen gelehrt wurden, vermittelt der »Neue Atlas für die Jugend - die Erdbeschreibung auf eine ganz neue Art leicht und nützlich zu lernen. Verfertigt von M.J. F. Klemm, Diakonus in Balingen. Tübingen 1782.« Hier ein kurzer Auszug über Afrika: »Senegal und Gambia: Neger sehr schwarz, gross, wohlgewachsen, stark, dumm, wild, diebisch, stehlen einander und verkaufen sich als Sklaven den Europäern, untreu, unwissend, grob, Freunde von Musik, Tanzen, Jagen und Fischen... Alle sind gross und stark und wild, faul, untreu, unwissend und dem Trunk ergeben. Religion: meistens grobe Heyden. Ihr Hauptgott ist eine lebendige Schlange. 800 Europäer können 300000 Guineer in die Flucht schlagen. « Aus zahlreichen Chroniken und anderen Veröffentlichungen sind wir recht gut über das Leben der Sklaven auf den westindischen Plantagen unterrichtet. Es wurde durch Gesetze von drakonischer Härte reglementiert und unterlag darüber hinaus der Willkür der weißen Besitzer. Besonders berüchtigt war der sogenannte »Code Noir« von 1685, ein französisches Sklavengesetz, das bereits geringste Vergehen mit grausamen Strafen ahndete: »XXX VI. Einem entflohenen Sklaven, welcher einen Monat abwesend geblieben ist, sollen die Ohren abgeschnitten werden und er soll auf einer Schulter gebrandmarkt werden; bei einer wiederholten Flucht sollen ihm die Kniekehlen zerschnitten werden und die andere Schulter gebrandmarkt werden; das dritte Mal wird er mit dem Tode bestraft. XLII. Es soll den Eigentümern der Sklaven erlaubt sein, sie in Ketten legen und mit Ruten oder Stricken hauen zu lassen, wenn sie glauben, daß diese die Züchtigung verdient haben...XLIV. Wir erklären, daß die Sklaven als Mobiliar betrachtet werden und als solches ins gemeinschaftliche Erbe gehören. . . « Auf den Plantagen lebten manchmal mehr als tausend Menschen. Die Besitzer oder oft ihre als Stellvertreter eingesetzten Verwalter residierten in prächtigen Landhäusern, die heute noch als sogenannte Greathouses auf Jamaica und den Kleinen Antillen erhalten sind. Auch die Aufsicht der Erntearbeiten oblag den Weißen. Zum weißen Personal gehörten außerdem Buchhalter, Maschinisten und Ärzte. Die Negersklaven lebten meist in Hütten im unmittelbaren Kontrollbereich ihrer Herren. Sie durften in der Regel kleine Gärten, sog. Conucos bewirtschaften, deren Erträge sie oft vor dem Hungertode retteten.


Der Jahresrhythmus wurde von der Zuckerrohrernte zwischen Januar und Juni sowie der »toten Zeit« zwischen den Ernten bestimmt. Am härtesten war die Erntezeit, wenn laut Sklavengesetz die Arbeitszeit täglich 16 Stunden betragen durfte. Oft genug schlossen sich den Erntearbeiten auf dem Feld noch Nachtschichten in den überhitzten Siedereien an, so daß sich die Ruhezeit auf drei Stunden reduzierte. Der Verschleiß an Menschen, die sich unter diesen schrecklichen Lebensbedingungen zu Tode arbeiteten, war so groß, daß ein nicht abreißender Strom neuer Negersklaven über Jahrhunderte hinweg die Lücken auffüllen mußte. Wie groß die einkalkulierten Verluste waren, verdeutlichen folgende Zahlen:


Sklaven-Import zwischen 1680 und 1789

Jahre

Kolonie

Einfuhr

jährl. Durchschnitt

1700-1786 Jamaica 610000 7000
1708-35,1747-66 Barbados 148821 3100
1680-1776 Hispaniola 800000 8247
1720-1729 Antigua 12278 1362
1721-1730 St. Kitts 10358 1035
1721-1729 Montserrat 3210 357
1721-1726 Nevis 1267 253
1767-1773 Dominica 19194 2742
1763-1789 Cuba 30875 1143
1700-1754 Inseln in dän. Besitz 11750 214
  Insgesamt 1 647 753 25453


Man kann davon ausgehen, daß für jeden Sklaven, um den die Bevölkerung der Inseln zunahm, zwei bis drei eingeführt werden mußten. Es war rentabler, sie alle fünf Jahre durch neue zu ersetzen, nachdem sie sich zu Tode gearbeitet hatten. Bald überstieg die Zahl der Negersklaven auf Jamaica, dem französischen Teil Hispaniolas und den Kleinen Antillen die der weißen Kolonialherren. So standen Mitte des 18. Jahrhunderts die 30000 weißen Bewohner Jamaicas einer Mehrheit von ca. 250000 Schwarzen gegenüber. Zwischen beiden Rassen stand die wachsende Gruppe der Mulatten, meist Nachkömmlinge aus nichtehelichen Verbindungen der weißen Herren mit ihren schwarzen Sklavinnen.
Daß sich die Negersklaven auf die Dauer nicht widerstandslos ihrem Schicksal fügen würden, war schon allein aus ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit zu schließen. Schon gegen Ende des 16.Jahrhunderts kam es auf Cuba zu gelegentlichen Revolten, wenig später auch auf Jamaica. Dort bildeten die entflohenen Sklaven - Cimarrones genannt - in den unzugänglichen Bergwäldern regelrechte Kommunen. Sie verbündeten sich 1795 während des großen Sklavenaufstands mit ihren Leidensgenossen. Über 500 englische Soldaten mußten die Niederschlagung des Aufstands mit ihrem Leben bezahlen.
Das Ideengut der französischen Revolution verbreitete sich auch auf den westindischen Besitzungen Frankreichs rasch unter der versklavten Negerbevölkerung. In Haiti, der damals französischen Westhälfte Hispaniolas, entwickelte sich ab 1790 ein weit um sich greifender organisierter Widerstand. 1801 wurden in Haiti die französischen Unterdrücker besiegt und Toussaint L´Ouverture, der Führer des Aufstands, proklamierte im selben Jahr eine neue Verfassung für das unabhängige Haiti. Nach einem vergeblichen Rückeroberungsversuch durch die Franzosen wurde Haiti am 1.Januar 1804 endgültig unabhängig und konstituierte sich nach den USA als zweite Republik der Neuen Welt.

Aber auch von Europa gingen seit dem 19. Jahrhundert Bestrebungen aus, die Sklaverei in der Neuen Welt abzuschaffen. Die Initiative lag jedoch weniger bei den großen Kirchen als bei humanistischen Randgruppen. Einer der großen Vorkämpfer war der Elsässer Victor Schoelcher (1804-1883). Seinem unermüdlichen Einsatz ist es zu verdanken, daß 1847 auf den französischen Antillen die Sklaverei aufgehoben wurde. Zwar verboten Dänemark 1792, England 1807 und Frankreich 1817 den Sklavenhandel. Aber erst 1833 wurde von den Engländern (»Emancipation Act«), 1847 von den Franzosen und schließlich 1880 von den Spaniern die Sklaverei abgeschafft. Trotzdem blieben die ehemaligen Sklaven noch für längere Zeit in wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihren ehemaligen Herren, und es änderte sich nur wenig an ihrer Lage. Um den Verlust an billigen Arbeitskräften auszugleichen, warben die weißen Plantagenbesitzer immer mehr Kontraktarbeiter aus Indien, China und dem Nahen Osten an. Sie und ihre Nachkommen trugen ganz wesentlich zur rassischen und ethnischen Vielfalt auf Trinidad und Jamaica bei.


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